Mitglied eines Stadtrats oder gar Bürgermeister zu sein ist keine leichte Aufgabe, schließlich betreffen die getroffenen Entscheidungen nicht gerade einen kleinen Personenkreis sondern entscheiden über das Schicksal einer ganzen Stadt. Wächst sie zu einer Metropole heran oder ist sie letztlich dem Untergang geweiht. Digital konnte man schon häufig in die Rolle solcher Entscheidungsträger schlüpfen, von Sim City in all seinen Versionen bis hin zum gleichnamigen digitalen Vorbild dieses Spiels.
Aber auch analog am Spielbrett konnte man sich schon öfter an der Entwicklung einer Stadt beteiligen. Von Suburbia über City bis zu Big City und sicherlich noch einige mehr reicht die Bandbreite, die sich über die Jahre entwickelt hat. Doch keines dieser genannten Spiele, auch wenn man bei allen letztlich gemeinsam am Schicksal einer Stadt bastelt, ist kooperativ oder offiziell an eine digitale Stadtbausimulation angelehnt wie das bei Cities: Skylines der Fall ist.
Alles beginnt sehr überschaubar, insbesondere wenn man, wie in der Spielanleitung angeregt, mit dem Einsteigerszenario anfängt und sich dabei mit den wichtigsten Grundregeln vertraut macht. Darauf aufbauend wird man dann in den anderen Szenarien sehr Übersichtich Schritt für Schritt an das Gesamtregelwerk herangeführt. Die Anfangssituation aller Szenarien ist aber, mal abgesehen von der Größe der möglichen Stadtfläche, dieselbe. Anfangs liegt die insgesamt zur Verfügung stehende Stadtfläche vor einem, zu diesem Zeitpunkt natürlich noch völlig unbebaut. Lediglich eine Angabe bezüglich der Erschließungskosten die aufgewendet werden müssen um einen Teil der Stadtfläche aufzudecken und dadurch die ersten von Straßen umgebenen Stadtviertel entstehen zu lassen ist auf den einzelnen Spielplanteilen des Stadtgebietes zu finden. Trotz mehrerer Spielplanteile ist diese erste Entscheidung noch relativ einfach, denn die Kosten für die einzelnen Stadtgebiete sind doch recht unterschiedlich, so dass im Hinblick auf die nicht allzu prall gefüllte Stadtkasse diese Entscheidung meist zunächst auf die günstigste Geländetafel fällt.
Die Gebäude der Stadt sind in unterschiedlichen Farben - Wohngebäude sind grün, Geschäftsgebäude blau, Industriegebäude gelb und Dienstleistungs- bzw. Versorgungsgebäude hell- bzw. dunkelgrau - als Pappplättchen in verschiedensten Größen und Formen im Spiel vorhanden und werden durch Gebäudekarten ins Spiel gebraucht. Diese Gebäudekarten gibt es in drei Stufen, wobei die Gebäude der ersten Stufe günstiger, aber natürlich nicht so effektiv sind wie die Gebäude der Stufen II und III. Von den Gebäudekarten der Stufe I hat jeder Mitspieler abhängig von der Mitspielerzahl 3 - 7 auf der Hand.
Den aktuellen Zustand der Stadt kann man an Hand der sog. Verwaltungstafel einschätzen, auf der zum einen die Stadtkasse und damit die finanzielle Situation der Stadt zu finden ist und zum anderen die Strom- und Wasserversorgung, die Müllkapazität, die Zufriedenheit der Bürger, die Arbeitsmarktsituation, die aktuelle Umweltbelastung, die Verkehrsbelastung sowie die Kriminalitätsrate festgehalten werden. Daneben ist die "Skyline" der Stadt zu sehen, ein Pappaufsteller, auf den die Zufriedenheit oder ggf. auch Unzufriedenheit der Bevölkerung übertragen wird, sobald ein neuer Bauabschnitt begonnen und damit ein Meilenstein beendet wird. Die Zufriedenheit auf dieser "Skyline-Skala" entscheidet dann letztlich auch darüber, wie die Leistung der mitspielenden Stadtplaner am Ende zu bewerten ist. Erst ab einer Zufriedenheit von 61 darf sich die Stadt als Weltmetropole bezeichnen, aber dafür braucht es einiges an Erfahrung und auch Glück bei den Karten.
Das hört sich zunächst alles relativ komplex an, allerdings ist es das nicht, denn die Aktionsmöglichkeiten sind sehr überschaubar genauso wie die Auswirkungen bei der Errichtung von Gebäuden. Wer an die Reihe kommt hat nämlich "nur" drei Möglichkeiten. Man spielt eine Baukarte aus um ein entsprechendes Gebäude auf dem Stadtgebiet zu platzieren, man tauscht eine Baukarte aus, die momentan nicht benötigt wird und nur die Kartenhand einschränkt oder man beendet einen Meilenstein. Letzteres ist erst bzw. nur zulässig, wenn in den offen liegenden Stadtteilen mindestens ein Gebäude errichtet wurde. Der letzte Meilenstein, der dann auch das Spiel beendet, setzt sogar voraus, dass in jedem Stadtteil mindestens zwei Gebäude errichtet wurden.
Entscheidet sich der Spieler am Zug dafür eine Baukarte auszuspielen - natürlich nach eingehender Diskussion mit den anderen Stadtratsmitgliedern - werden zunächst die geforderten Änderungen auf der Verwaltungstafel vorgenommen. Versorgungs- und Dienstleistungsgebäude kosten in der Regel Geld aus der gemeinsam verwalteten Stadtkasse und wirken sich unmittelbar auf die Zufriedenheit bzw. den Versorgungsstand der Stadt aus. Ein Windkraftanlage beispielsweise kostet 3 Geld aus der Stadtkasse und verbessert die Energieversorgung der Stadt um 3. Das Geld wird aus der Stadtkasse abgegeben, der Energiemarker entsprechend verschoben, das abgebildete Gebäude aus dem Vorrat gesucht, auf dem bereits aufgedeckten Stadtgebiet platziert und die Gebäudekarte abgeworfen.
Andere Gebäude, beispielsweise Industriegebäude, spülen Geld in die Stadtkasse und viele der möglichen Gebäude erfordern eine bestimmte Ausgangslage um gebaut zu werden, beispielsweise eine Schule oder ein Krankenhause usw.
Beim Gebäudebau gilt es also einige wenige Vorgaben zu beachten, beispielsweise dass in jedem Stadtteil nur ein Versorgungsgebäude gebaut werden kann, Gebäude an Dienstleistungsgebäuden unmittelbar angrenzen müssen, um durch sie versorgt zu sein (was ab und an wichtig ist und zusätzliche Vorteile bringt) oder das einige Gebäude das Vorhandensein bestimmter Gebäudetypen in einem Stadtteil voraussetzen um dort platziert werden zu können. Letztere Vorgaben sind auf den Gebäudekarten zu finden aber ansonsten ist man beim Platzieren von Gebäudeplättchen frei in seiner Entscheidung, solange das Gebäude komplett in den gewünschten Stadtteil platziert werden kann.
Bei dieser Aktion gilt es zusammen das Potential der zur Verfügung stehenden Handkarten zu erkennen und sie unter Berücksichtigung der Stadtkasse in der bestmöglichen Reihenfolge und zu den bestmöglichen Situationen auszuspielen, so dass ihre Vorteile bestmöglich genutzt werden können. Welche Karten zur Verfügung stehen ist natürlich ein Stück vom Zufall abhängig, von daher hat die Taktik in diesem Spiel den größten Anteil. Es gilt aus den Karten das Beste zu machen.
Bieten sich beim aktiven Spieler gerade keine Gebäudekarten zum ausspielen/errichten an, entweder weil die Bedingungen aller Gebäudekarten (noch) nicht erfüllt sind oder man auf eine bessere Ausgangssituation zum Errichten eines Gebäudes hofft, dann kann man eine seiner Handkarten austauschen. Man legt eine Karte die man (noch) nicht gebrauchen kann auf einen offenen Ablagestapel und zieht sich entweder eine neue Karte von einem drei Gebäudestapeln der Stufen 1 bis 3 bzw. wählt sich eine Karte auf dem möglicherweise bereits entstandenen offenen Ablagestapel aus. Ausgetauschte Karten sind also nicht permanent aus dem Spiel, man kann sie sich zu gegebener Zeit wieder zurück auf die Hand holen.
Das klingt natürlich sehr interessant, hat aber natürlich auch einen Haken. Der Austausch einer Handkarte kostet 2 Münzen aus der Stadtkasse und muss daher gut überlegt sein.
Die letzte Aktionsmöglichkeit, sobald die bereits genannten Voraussetzungen (ausreichende Bebauung der Stadtteile) erfüllt sind, ist das Beenden eines Meilensteins. Entscheidet sich ein Spieler für diese Aktion, so wirkt sich eine nicht ausreichende Strom-, Wasser- oder Müllabfuhrversorgung negativ auf die Zufriedenheit der Stadtbevölkerung aus. Jeder Schritt auf einer dieser Versorgungsleisten in den roten Bereich dieser Leiste bedeutet den Verlust eines Zufriedenheitspunktes auf der Zufriedenheitsleiste. Anschließend wird der aktuelle Zufriedenheitswert auf die Skyline übertragen. Auf der Skyline sollte der Zufriedenheitswert nie unter 10 fallen, denn in diesem Fall wäre das Spiel sofort verloren.
Im Anschluss daran wird die Arbeitsmarkleiste betrachtet. Jeder Wert abweichend von null bedeutet eine Abweichung von einer Balance zwischen Vollbeschäftigung und der Nachfrage nach Arbeitskräften. Bei einem negativen Wert stehen dem Arbeitsmarkt nicht genug Arbeitskräfte zur Verfügung, bei einem positiven Wert gibt es Arbeitslose in der Stadt und in beiden Fällen ist das mit Kosten für die Stadt verbunden. Zwei Münzen aus der Stadtkasse müssen pro Abweichung vom angestrebten Nullwert bezahlt werden.
Und jetzt sollte auch noch genügend Geld in der Stadtkasse vorhanden sein, um die Erschließungskosten für die nächste Geländetafel bezahlen zu können damit diese umgedreht und im weiteren Spielverlauf wie gewohnt bebaut werden kann. Bevor sich die Spieler dann um die neuen Stadtteile kümmern darf jeder noch eine beliebige Anzahl seiner Handkarten für je eine Münze aus der Stadtkasse ablegen und entsprechend viele neue Karten auf die Hand nehmen. Genug Geld im Stadtsäckel vorausgesetzt ist dies eine relativ kostengünstige und effiziente Möglichkeit frischen Wind in seine Handkarten zu bringen, denn im normalen Spielverlauf darf man immer nur eine Handkarte und das für 2 Münzen austauschen.
Sind schließlich irgendwann alle Spielplanteile erschlossen und jeder Stadtteil mit mindestens zwei Gebäuden bebaut ohne dass die Stadt Pleite gegangen oder die Unzufriedenheit zur groß geworden ist (und damit das Spiel vorzeitig verloren wurde), kann der letzte Meilenstein und damit das Spiel beendet werden.
Cities: Skylines führt die Spieler auf Wunsch langsam in das Spiel ein in dem es Szenario für Szenario die Regeln, Gebäude und damit Möglichkeiten erweitert, wobei eine Runde aus spielerfahrenen Mitspielern sich auch durchaus problemlos mit den kompletten Regeln an die erste Stadt wagen kann. Man kann also frei entscheiden, wie "komplex" man in das Spiel einsteigen will und das ist gut, denn so fühlt sich einer über- oder unterfordert. Auch die Symbolsprache der Karten sorgt für ein schnelles Verstehen und Erkennen der Zusammenhänge.
Am kniffligsten - und das entspricht wohl auch der Realität - ist es die Stadtfinanzen zu managen. Der Pleitegeier kreist sicherlich das eine oder andere Mal über der Stadt und droht mit einem frühzeitigen Spielende. Hier ist auch Vorausplanung gefragt, denn einen Meilenstein zu beenden zu wollen ohne die Erschließungskosten für ein neues Spielplanteil aufwenden zu können ist schneller auf der Tagesordnung als man denkt, vor allem wenn man mal die Kosten der Arbeitslosigkeit nicht berücksichtigt hat.
Aber auch die Kriminalität, die Verkehrsbelastung und die Umweltverschmutzung gilt es im Auge zu behalten. Diese wirken sich zwar erst bei Spielende aus, allerdings dürfen die Extremwerte nicht überschritten werden, denn sonst bedeutet das ebenfalls ein vorzeitiges Spielende.
Bei aller planerischer Freiheit ist man beim Kartenziehen jedoch schon ein gutes Stück auf das Mitwirken von Fortuna angewiesen. Wollen die zur Verfügung stehenden Karten so gar nicht zusammenpassen, dann hat man es schwer. Der Kartentausch ist zwar eine Option, kann aber auch mal ganz schnell auch ein dickes Finanzpolster auffressen und eine Stadt in den Ruin treiben. Das stört mich persönlich zwar etwas an Cities: Skylines, allerdings hält sich der Frust durch solche Situationen letztlich in überschaubaren Grenzen, da er ja nicht einen alleine betrifft, sondern alle Mitspieler gleichermaßen. Geteiltes Leid ist schließlich halbes Leid und bei Erfolg ist die Welt sowieso in Ordnung.
Wer sich bereits am digitalen Städtebau, beispielsweise bei Sim City, versucht hat, den befremdet das eine oder andere im Spiel möglicherweise etwas. Industriegebiete unmittelbar neben Wohngebieten oder Wohngebäude umringt von Industrie und Mülldeponien, das wäre bei Sim City unmöglich, wirkt sich bei Cities: Skylines allerdings nicht negativ aus. Das fühlt sich irgendwie "unrund" an, aber das mag Geschmackssache sein.
Am meisten Spaß hat man mit Cities: Skylines in großen Runden. Je mehr Mitspieler desto mehr Kommunikation und gemeinsames fiebern und davon lebt das Spiel meines Erachtens. Im Spiel zu zweit oder gar solo wird das Ganze doch eine recht "trockene Angelegenheit", aber auch das wissen ja manche Spieler durchaus zu schätzen. Cities: Skylines schafft es ein komplexes Thema regeltechnisch auf einem sehr leichten Niveau zu halten. Das freut den Familien- und Gelegenheitsspieler während sich der ein oder andere Vielspieler möglicherweise gerne etwas komplexer mit dem Städtebauthema beschäftigt hätte.
Holger hat Cities Skylines - Das Brettspiel klassifiziert.
(ansehen)